Künstlerisch und gestalterisch erweitern alle Formularstädte das Spektrum moderner Urbanität und fordern traditionelle Stadtplanung heraus. Doch während kleinteilige Modelle wie Arcosanti oder Masdar (Teilflächen) erste Wirkungen zeigen, steckt die vollständige Umgestaltung ganzer Metropolen als Wüste oder Meer in der Praxis in der Kosten‑, Ressourcen‑ und Sozialkomplexität fest.
Telosa ist ästhetisch ambitioniert und sozial utopisch; seine Durchführbarkeit hängt jedoch entscheidend von realpolitischer Planung, Finanzierungsstabilität und echter Community‑Einbindung ab.
Masterplaner und Architekt: Bjarke Ingels Group (BIG) in Zusammenarbeit mit Marc Lores Terranet – der Equitism Tower und weite Teile des öffentlichen Raums werden von BIG Studios entwickelt.
Nur integrierte, interdisziplinäre Konzepte, die Kunst, Klimawissenschaft, Soziologie und Ökonomie verbinden, können die Visionen einer „Stadt der Zukunft“ letztlich realisieren, denn allein die Vorstellung von vollständig neuen Städten als gesellschaftliche und ökologische Experimentierfläche ist heute so virulent wie selten.
Telosa, ein Projekt des US‑Milliardärs Marc Lore, verspricht Nachhaltigkeit, soziale Gleichheit und High‑Tech auf 150.000 Hektar Wüstenboden und soll bis 2030 die ersten 50.000 Bewohner aufnehmen.
Ähnliche Ambitionen finden sich weltweit in Neom (Saudi‑Arabien), Oceanix Busan (Südkorea), Masdar City (VAE) oder Songdo (Südkorea).
Vergleicht man zentrale Gestaltungsprinzipien, analysiert Parallelen und stellt sie in Beziehung zu Klimaschutzstrategien und ihrer realen Durchführbarkeit, müsste man diese im Groben aufschlüsseln.
Konzept und künstlerische Rahmung
Telosa beruft sich auf griechische «telos»‑Ideale („höchstes Ziel“)
Architektur: futuristische Hochhäuser mit integrierten Grünflächen und Gewächshäusern
Mobilität: Fußgängerzonen, Fahrradnetz, autonomes E‑Car‑System
Energie: 100 % Erneuerbare via Solarpaneele, Windkraft, Wasseraufbereitung
Soziales Modell: Gemeinnützige Stiftung statt Privatbesitz, partizipative Demokratie
Künstlerisch inspiriert ist Telosa vom ökologischen Stadtbild und utopischen Architekturvisionen der 1960er (z. B. Archigram) und greift Motive „grüner Wolkenkratzer“ auf.
Neom (Saudi‑Arabien)
Konzept & Stadtplanung: NEOM Company (die saudisch unterstützte Entwicklungsgesellschaft) gemeinsam mit einem Konsortium von Beratern; das grundlegende architektonische Konzept für die ersten Turmprototypen stammt von Adrian Smith + Gordon Gill Architecture.
– Länge: geplanter „The Line“ bis zu 170 km rein fußläufig
– Fokus auf CO₂‑Negativität, KI‑gesteuerte Steuerung, Wüstenbegrünung
– Kritik: exorbitante Kosten (500 Mrd. $), ökologische Risiken für lokale Ökosysteme
Oceanix Busan (Südkorea)
Masterplan & Entwurf der schwimmenden Stadt: Bjarke Ingels Group (BIG) in Partnerschaft mit Oceanix, UN‑Habitat und dem Ingenieurteam der Kansas State University.
– Schwimmende Module, modular erweiterbar, resilient gegen Meeresspiegelanstieg
– Energieautarkie durch Meeresströmungs‑ und Solarenergie; Kreislauf‑Wassermanagement
– Herausforderung: Langzeithaltbarkeit offener Plattformen auf hoher See
Masdar City (Abu Dhabi)
Masterplan: Foster + Partners (das Studio von Sir Norman Foster) entwarf das ursprüngliche Layout und die ersten Gebäude; zeitgenössische Ergänzungsbauten stammen von verschiedenen regionalen Architekturbüros im Auftrag des Masdar Urban Development Teams.
– Geplant CO₂‑neutral, Gründungsjahr 2006; bisher nur Bruchteil realisiert (20 %)
– Traditionelle Windtürme (Barjeel) kombiniert mit moderner Architktur, dicht bebaute Fußgängerzonen
– Hochwasser- und Hitzeresilienz durch Verschattung und Passivkühlung
Songdo International Business District (Südkorea)
Masterplan: Kohn Pedersen Fox Associates (KPF) in Zusammenarbeit mit Gale International und POSCO Engineering & Construction.
– Smart‑City‑Infrastruktur in Drain‑Canalsystem, automatisiertes Abfallsammeln
– 40 % Fertigstellung nach 15 Jahren, hohe Immobilienpreise bremsen Diversität
Arcosanti (Arizona, USA)
Entwerfer & Gründer: Paolo Soleri – Arcosanti ist das Lebenswerk des Architekten und Theoretikers Soleri und der Cosanti Foundation, errichtet nach seinen „Arcology“-Prinzipien.
– Architekturexperiment seit 1970 nach Paolo Soleri; kompakte Bauweise, passive Solarenergie.
– Nie fertiggestellt, aber Modell für ökologische Kleinstadt
Künstlerisch‐ästhetische und klimaspezifische Strategien
Alle Projekte teilen den Anspruch, Architektur als Kunstform in Dienst ökologischer und sozialer Ziele zu stellen. Telosa und Neom inszenieren vertikale Stadtpanoramen als Monumente neuer Zivilisation; Masdar und Arcosanti setzen stärker auf Bodenhaftung und traditionelle, klimaadaptierte Bauelemente (Windtürme, Passivkühlung). Oceanix erweitert das ästhetische Spektrum ins Maritime, Songdo zeigt die Begegnung von Technik und Urbanität.
Umsetzbarkeit im Kontext Klimawandel
– Ressourceneinsatz: Massive Terraformation (Telosa, Neom) steht im Widerspruch zum sparsamen Umgang mit Boden und Wasser.
– Energie: Solare und Wind‑Infrastruktur sind technisch erprobt, doch Speicherung und Netzstabilität in Wüsten‑ oder Offshore‑Umgebungen bleiben kostenintensiv.
– Soziale Kohäsion: Stiftungsmodelle (Telosa) versus kommerzielle Entwicklung (Songdo) entscheiden über Diversität und Teilhabe.
– Budget‑Risiko: Telosa (400 Mrd. $) und Neom (500 Mrd. $) setzen auf private Finanzierungen, deren Nachhaltigkeit ungewiss ist. Masdar demonstriert, dass selbst staatlich getragene Mega‑Projekte ins Stocken geraten können.
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Quellen
https://cityoftelosa.com/2021/10/17/usatoday/
Neom (Wikipedia): https://en.wikipedia.org/wiki/Neom
Oceanix Busan (HUDUN): https://oceanixbusan.com/
Masdar City (Wikipedia): https://en.wikipedia.org/wiki/Masdar_City
Songdo IBD (Wikipedia): https://en.wikipedia.org/wiki/Songdo_International_Business_District
Arcosanti (Official): https://www.arcosanti.org/
Telosa (Travelbook‑Artikel): https://www.travelbook.de/ziele/telosa-stadt-der-zukunft